
Offener Brief der Omas gegen Rechts an OB Kufen und PP Stüve
Im Nachgang zu dem skandalösen Auftreten der Polizei Essen am 15.03. haben die Omas gegen Rechts Essen einen Offenen Brief an Oberbürgermeister Thomas Kufen und Polizeipräsident Andreas Stüve geschrieben, den wir hier mit freundlicher Genehmigung veröffentlichen:
OffenerBriefSehr geehrter Herr Stüve, sehr geehrter Herr Kufen,
am vergangenen Samstag, den 15. März 2025 fand in unserer Stadt ein Aufmarsch von Neonazis statt. Dieser hat mit martialischem Auftreten der Gruppe Jung und Stark (JS) und volksverhetzenden Parolen für verstörende Bilder gesorgt, die bundesweit Aufsehen erregt haben (https://youtu.be/j3YBKXKtdA0?feature=shared).
Als Regionalgruppe Essen der überparteilichen zivilgesellschaftlichen Initiative OMAS GEGEN RECHTS in Deutschland waren wir vor Ort und sind erschüttert über die
rechtspopulistische Hetze und Rechtsbrüche der Neonazis, die wir beobachten mussten. Wir sind jedoch auch erschüttert über den Ablauf und die Maßnahmen zur Begleitung dieses Aufmarsches und der angekündigten Gegendemonstration durch Stadt und Polizei. Mit unserer (berechtigten) Befürchtung, dass sich mit solch einem Aufmarsch Geschichte wiederholt und mit der festen Überzeugung, dass das nicht von Amts wegen unterstützt werden darf, wenden wir uns nun an Sie beide als maßgebliche Funktionsträger mit der Bitte um Stellungnahme:Die Versammlungsfreiheit nach Art. 8 Abs. 2 GG ist ein hohes Gut der Verfassung. Uns ist bewusst, dass die geltenden Versammlungsgesetze es kaum ermöglichen, einen Aufmarsch einer (noch) nicht verbotenen Gruppe wie der JS am vergangenen Samstag in unserer Stadt zu unterbinden. Aber aus unserer Sicht war die JS-Veranstaltung vorhersehbar geeignet, die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu gefährden. Genau darauf kann die Polizei mit den minderschweren Mitteln der Begrenzungen der JS-Versammlung oder bestimmte Auflagen Einfluss nehmen.
Wir fragen Sie:
- Warum durften die Neonazis mitten durch die Fußgängerzone marschieren?
Der Laufweg der JS-Gruppe am Samstag (Fußgängerzone, quer durch die Innenstadt, 2x vor dem Limbecker) ist absolut empörend. Passanten zur besten Einkaufszeit wurden damit auf der besten Meile in Essen rechter Agitation, Drohungen und Einschüchterung ausgesetzt. Das mag noch legal gewesen sein, aber schadet dem Ansehen der Stadt und der Wirtschaft massivst.- Warum wurde dem JS-Aufmarsch mit dieser massiven und weiträumigen Abschirmung derartig viel Raum gegeben?
Damit wurden wir signifikant in unseren Möglichkeiten eingeschränkt, unseren Protest gegen Rechtspopulismus und Rechtsradikalismus sichtbar und wirksam zu bekunden und so für den Schutz unserer Demokratie einzutreten.- Warum wurde die genaue Route der JS geheim gehalten?
Durch diese Geheimhaltung wurde unser Recht auf Versammlungsfreiheit als Gegendemonstrantinnen für einen gewaltfreien Protest erheblich beschnitten.- Wie wird mit den zahlreichen Rechtsbrüchen der JS-Demonstranten umgegangen?
- Es darf nicht geduldet werden, dass Neonazis durch die Innenstadt von Essen ziehen mit den Schlachtrufen: „Deutschland den Deutschen, Ausländer raus“ – das ist verfassungsfeindlich und rassistisch und in Deutschland verboten!
- Das Vermummungsverbot gilt auch für Neonazis – wurden Strafanzeigen bei Verstößen dagegen gestellt?
- Im Video ist sichtbar, dass offenbar auch Pressevertreter angegriffen wurden – wird dies strafrechtlich verfolgt?
- Ist die Polizei eingeschritten, wenn öffentlich der „Hitlergruß“ gezeigt wurde?
- Der Begriff der „Remigration“ in der Weise, wie er von den Neonazis bei dem Aufmarsch verwendet wurde, ist aus unserer Sicht volksverhetzend und widerspricht dem Recht auf Freizügigkeit und Gleichbehandlung im Grundgesetz. Wird es hier strafrechtliche Konsequenzen gegen die Veranstalter
bzw. Teilnehmenden des Aufmarsches geben?Wir OMAS GEGEN RECHTS in Essen danken ausdrücklich den Polizeibeamtinnen und -beamten vor Ort für ihren Einsatz im Sinne einer De-Eskalation zu unserem Schutz als gewaltfreie Gegendemonstrantinnen wie auch zum Schutz der unbeteiligten Passanten. Aber wir sind überzeugt, dass mehr Schaden für unsere Demokratie und insbesondere für unsere Stadt abgewendet worden wäre, wenn Stadt und Polizeiführung die ihnen zur Verfügung stehenden Möglichkeiten anders genutzt hätten.
Als OMAS GEGEN RECHTS in Essen sind wir tief besorgt. Essen droht zum westlichen Zentrum für die ultrarechte Szene zu werden, die Veranstaltungen häufen sich (u.a. Parteitag, Kundgebung der AfD mit Frau von Storch, Aufmarsch von Jung-Nazis). Das kann niemand wollen.
Wir werden auch weiterhin unseren friedlichen Protest gegen Rechtspopulismus und Rechtsradikalismus bekunden und für den Schutz der Demokratie eintreten.
Sie als Polizeipräsident und als Oberbürgermeister können dazu beitragen. Wir erwarten gespannt Ihre Stellungnahmen und bieten gerne auch einen persönlichen Austausch mit Vertreterinnen unserer OMAS GEGEN RECHTS Regionalgruppe an.
Mit freundlichen Grüßen
im Namen der OMAS GEGEN RECHTS in Essen