CDU Essen: Fehlende Präsenz im Kampf gegen Rechtsextremismus

CDU Essen: Fehlende Präsenz im Kampf gegen Rechtsextremismus

WAZ vom 10. Februar 2024, Seite 17.

Nachdem Frank Stenglein, Redaktionsleiter der Lokalredaktion Essen, zusammen mit Matthias Hauer, Essener CDU-Vorsitzender und Dirk Kalweit, Stellvertretender Fraktionsvorsitzender der Essener CDU, wieder einmal gegen Essen stellt sich quer schießen, möchten wir die Gelegenheit nutzen, dieses kurz zu kommentieren.

Wir müssen leidlich feststellen, dass der CDU immer dann einfällt gegen Essen stellt sich quer zu schießen, wenn ihr dröhnendes Schweigen gegen Rechtspopulismus und Rechtsextremismus gesellschaftlich nicht mehr zu überhören ist. Man kann geradezu die Uhr danach stellen.

Das immergleiche Trauerspiel beginnt damit, dass die CDU zunächst durch Abwesenheit und aktives Unterlassen eigenen Einbringens glänzt, wenn sich in Essen große Teile der Bevölkerung auf die Straße begeben. Darauf angesprochen, reagiert man Tage später – wohl bemerkend, dass die ohrenbetäubende Stille nicht gut ankommt – allergisch: Es läge nicht an der Partei, dass man sich nicht engagiert. Nein, es sind diejenigen, die protestieren. Denn der CDU ist Protest in dieser Stadt – was sie jedoch niemals zugeben würde – ein Dorn im Auge. Am liebsten scheint es den Essener Christdemokraten zu sein, würde die Stadtgesellschaft sich doch nur an Wahlsonntagen politisch auf die Straße bewegen und sie ansonsten in Ruhe lassen.

Die alte Leier davon, wir seien schuld daran, dass die CDU, Partei wie Fraktion, sich nicht an Protesten beteiligt, läuft seit Jahren in Dauerschleife. Wir hatten sie 2018, als es breite Proteste nach den Hetzjagden auf Migrant*innen in Chemnitz gab. Wir hatten sie 2019, als Essener*innen in Steele gegen die dortige rechtsradikale Bürgerwehr protestierten. Wir hatten sie 2024, als Deportationsphantasien von AfDler*innen und – man beachte – auch CDUler*innen debattiert wurden. Wir werden sie wieder haben, wenn die Stadtgesellschaft gegen den Bundesparteitag der AfD in Essen im Juni auf die Straße gehen wird.

Wir haben es satt.

Es langweilt uns, dass die CDU uns als Feigenblatt für ihren eigenen Unwillen und ihre Unfähigkeit, sich sichtbar gegen Rechts zu stellen, nutzen möchte. Wenn im WAZ-Interview von Frank Stenglein Matthias Hauer betont, die „CDU wolle eigene klare Signale gegen den Rechtsextremismus setzen, und das nicht nur in Parlamenten und Räten, sondern durchaus auf der Straße“, ist das an Bigotterie kaum zu überbieten. Niemand – nicht einmal Essen stellt sich quer, daran haben wir kein Interesse und Besseres zu tun – hat die CDU Essen in den letzten Jahren und Jahrzehnten daran gehindert, sich auf der Straße zu engagieren. Niemand, außer sie selbst. Dass man nun erkannt haben will, dass man auch auf der Straße ein Zeichen gegen die AfD setzen muss, ist nichts anderes als blanker Opportunismus. Denn die CDU kommt ja nicht im luftleeren Raum auf diese Idee, sondern weil derzeit Hunderttausende auf die Straße gehen und die CDU bemerkt, jetzt mitziehen zu müssen.

Die AfD wurde 2013 gegründet. Man fragt sich zwangsläufig, welchen Protest die CDU in den letzten über 11 Jahren auf die Straße gebracht haben will. Es hätte genügend Möglichkeiten dazu gegeben, doch die Bilanz der CDU sieht aus unserer Sicht diesbezüglich desaströs aus. Auch die Essener Allianz für Weltoffenheit, die die CDU inzwischen als „Vorbild“ erkannt haben will, wurde 2016 gegründet: Ohne Beteiligung der CDU. Auch 2017, 2018, 2019, 2020, 2021, 2022 und 2023, inzwischen geschlagene knapp acht Jahre, engagiert sie sich dort nicht merklich. Sich jetzt als auf der Straße gegen die AfD engagiert herbeizustilisieren, grenzt an reines Phantasiedenken und ist aufgrund des sehr durchschaubaren Kalküls hochnotpeinlich.

Wie wenig von dem Dreiergespann von unserem Bündnis und unserer Arbeit verstanden wird, zeigt sich nicht zuletzt darin, dass die Naturschutzjugend – zumindest bislang – keiner unserer Bündnispartner*innen ist. Das hätte zwar ein kurzes Lesen – keine Astrophysik, will man meinen – unserer Internetseite ergeben, da wir sehr offen mit und stolz mit unseren Bündnispartner*innen umgehen, aber dafür scheint es in der Recherche nicht gereicht zu haben.

Und nur, um das klarzustellen, obwohl es ein Strohmann-Argument im Text ist: Selbstverständlich halten wir Herrn Friedrich Merz für einen rechtspopulistischen „kleinen Pascha“, der einerseits erklärt, man unterscheide sich „fundamental“ von der AfD, nur, um dann kurze Zeit später der AfD doch wieder das Wort zu reden und ihre Politik zu betreiben. Das bedeutet nicht, dass man alle Menschen, die ein CDU-Parteibuch haben, damit gleichermaßen über einen Kamm schert. In anderen Städten ist die lokale CDU deutlich weiter als die Essener und versteht, wie hunderttausende Menschen in Deutschland, dass die Zeit, die AfD „auszusitzen“, lange vorbei ist und beteiligt sich an Protesten. Selbstverständlich sind CDU-Mitglieder nach wie vor herzlich bei uns willkommen. Eben weil wir differenzieren. Es mag überraschen, denn wir kritisieren auch einen Bundeskanzler Olaf Scholz, wenn er, ganz in rechtspopulistischen Sprech, davon schwadroniert, man müsse „in ganz großem Stil abschieben“. Unabhängig von irgendeinem Parteibuch.

Was aus unserer Sicht festzuhalten bleibt, weil es über die Zeit mehr als genug unter Beweis gestellt wurde: Als Essener Stadtgesellschaft kann man sich im Kampf gegen Neonazis und Rassismus darauf verlassen, dass man keinerlei Unterstützung durch die CDU erfährt. Mehr noch: Man wird von ihr zum Gegner gemacht. Wie sonst ist zu erklären, dass sich Herr Hauer in einem immerhin knapp 7.000-Zeichen-Artikel lieber an uns, als der AfD abarbeitet? Während Oberbürgermeister Thomas Kufen sich wenigstens anstandshalber noch dazu durchringen konnte, einen Tag nach der größten Versammlung gegen Rechts der letzten Jahrzehnte von einem „starken Zeichen“ zu sprechen, hat Herr Hauer, der sonst sehr fleißig in den Sozialen Medien postet, für die über 7.000 Demonstrierenden bis zum heutigen Tag kein einziges, erst recht kein positives Wort gefunden.

Das ist allerdings auch ein Statement.

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