Die Verharmlosung von Rechtsradikalen des Monats

Die Verharmlosung von Rechtsradikalen des Monats

Auf die Frage, wieso sich eine rechtsradikale Gruppe, wie die „Steeler Jungs“, seit Jahren so wohl in Essen-Steele fühlt und fühlen kann, gab es in der vergangenen Woche wieder einmal eine eindrucksvolle Darstellung der regelmäßigen und anhaltenden Verharmlosung rechtsradikalen Treibens. In der WAZ vom 13.10.2021  (online schon am 12.10.) meldet sich der Geschäftsführer des Initiativkreises City Steele, Alfred Greifenberg zu Wort. Anlass ist eine Umfrage zur Zufriedenheit im Stadtteil.

Greifenberg bedauert im Artikel, dass die „Auseinandersetzung“ mit den „Steeler Jungs“ „immer wieder die Schlagzeilen beherrscht“ und ergänzt, mit Blick auf das Bündnis Steele bleibt bunt, ohne Hehl: „Wir brauchen beide nicht“. Nachdem sich aufgrund dieser geschichtsvergessenen und relativierenden Gleichsetzung Protest gegen seine Aussagen regte, bekräftige Greifenberg in einem weiteren Interview in der WAZ vom 15.10.2021 seine Aussage sogar urteilte abermals: „Wir brauchen beides nicht“.

Sapperlot.

Essen stellt sich quer freut sich heute mitteilen zu können, dass Herr Greifenberg sich damit gegen einige Konkurrent:innen für den Preis des unregelmäßig und mit einem Preisgeld von 0€ dotierten Award „Die Verharmlosung von Rechtsradikalen des Monats“ durchgesetzt und ihn sich redlich erkämpft hat. Herr Greifenberg zeichnete sich dabei durch besondere Beharrlichkeit als Anwärter des diesjährig erstmalig ausgelobten Preises aus und zeigte die gesamte Auswahlphase hindurch eine Beständigkeit der Gleichsetzung von auf der einen Seite waschechten Rechtsradikalen, dokumentierten Nazis und verurteilten Straftäter:innen und auf der anderen Seite Menschen, die sich nicht damit abspeisen lassen möchten, dass benannte Personen den Stadtteil, in dem sie seit Jahren leben, unsicher machen und dominieren wollen. Der Jury blieb durch die anhaltenden Leistungen Herrn Greifenbergs nur übrig, ihn zum klaren Gewinner zu küren.

Die Überreichung des Preises findet coronabedingt ausschließlich online statt. Bedauerlicherweise standen die Messehallen für die offizielle Ehrung, die für den 22./23.10. geplant war, nicht mehr zur Verfügung.

Einordnung

Selbstverständlich ist die Gleichsetzung von Herrn Greifenberg alles andere als ein Grund, darüber Witze zu machen. Wenn aber selbst nach all der Zeit noch immer Nazis und Demokrat:innen, nur, weil sie Nazis in ihrem Stadtteil nicht tolerieren wollen, auf eine Stufe – sei es rhetorisch oder anderswie – gestellt werden, scheint Hopfen und Malz verloren zu sein.

Wer allen Ernstes – und das wiederholt – eine Gruppierung, die

  • das Gewaltmonopol des Staates in Form einer Bürgerwehr unterminiert
  • beste Kontakte in die Extreme Rechte (Düsseldorf, Mönchengladbach, Herne, …) hat
  • überregionale Kontakte in die Extreme Rechte hat (Bremen, NPD, …)
  • Personen beherbergt, die auch gerichtsfest wegen des Zeigens eines Hitlergruß verurteilt wurden
  • rechtsradikale Konzerte in Kneipen spielen lässt
  • körperliche Übergriffe auf Jugendliche und Unliebsame verübt hat
  • im Stadtteil Personen umzingelt, bedroht und einschüchtert
  • sich gegenseitig Torten mit Hakenkreuzen schenkt
  • sich aus verbrecherischen und gewalttätigen Rockern und Hooligans rekrutiert
  • selbst vom auf dem rechten Auge blinden Verfassungsschutz beobachtet wird
  • vom Rat der Stadt Essen verurteilt wird

mit einer auch nur im gleichen Atemzug nennt, die

  • zu allem obig genannten „Nein, das möchten wir hier nicht“ sagt
  • kulturelle Events im Stadtteil ausrichtet
  • Tage der offenen Gesellschaft veranstaltet
  • sich aktiv in die Gestaltung des gesellschaftlichen Lebens des Stadtteils einbringt
  • ihr verfassungsmäßig garantiertes Recht auf Versammlungsausübung nutzt

hat ganz offenbar ein Problem mit einem nicht mehr einwandfrei funktionierenden Demokratiekompass.

Selbst wenn man, wie offenbar Herr Greifenberg in seinem zweiten Interview, all das ausblendet und das ganze Agieren der Rechtsradikalen entpolitisiert und ausschließlich auf ein Versammlungsgeschehen „Die einen, gegen die anderen“ reduziert – was falscher und eben geschichtsvergessener nicht sein könnte! – ist doch allen halbwegs Informierten klar, dass die „Steeler Jungs“ den Stadtteil zum Selbstzweck heimsuchen und die Versammlungen, die nur einen Bruchteil des Portfolios von Steele bleibt bunt ausmachen, eine Reaktion auf eine aggressive Raumnahme und Belagerung ist. Anders als den SJ geht es eben nicht um eine chauvinistisch-egoistische Selbstdarstellung.

Alles Gute!

Allenthalben wird von Demokrat:innen erwartet, dass sie sich gesellschaftlich engagieren, einbringen, mitmischen, die Stimme erheben. Insbesondere, wenn sich brauner Ungeist breitmacht und festsetzen will. Das Bürger:innenbündnis Mut machen –  Steele bleibt bunt kommt dieser Aufgabe in bemerkenswerter Art und Weise nach. Diesen aufrechten und mutigen Menschen gilt unser ganz besonderer Dank und wir wünschen ihnen auch weiterhin viel Erfolg in ihrem langwierigen – und wider Erwarten von Gegenwind geprägten – Weg!

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