Redebeitrag zum 09. November 2021

Redebeitrag zum 09. November 2021

Im Folgenden dokumentieren wir unseren Redebeitrag zum 09. November 2021 im Wortlaut:

Liebe Freundinnen und Freunde,
sehr verehrte Teilnehmerinnen und Teilnehmer dieser Gedenkveranstaltung.

Am s.g. „Schicksalstag der Deutschen“, dem heutigen 9. November, gilt es der Opfer von Verbrechen und Unmenschlichkeit zu gedenken, sie nicht als Fremde gegenüber einem Diffusen „uns“ abzutun, wie es die Nazis taten und ihre Kinder im Geiste heute noch tun, sondern sie als aus dem Leben gerissenen Teil aus unserer eigenen Mitte, und insbesondere der Mitte unserer Großelterngeneration, anzuerkennen. Es gilt unserem Ruf nach „Nie wieder!“ öffentlich und erkennbar Taten folgen zu lassen, so wie Sie und Ihr es heute überall in Stadt, Land und Bund durch das schonende und bedachte Reinigen von Stolpersteinen, Gedenksteinen und -tafeln getan habt.

Die Geste des sich Hinkniens, die die Meisten dabei einnahmen, hat im Allgemeinen zwei Lesarten;
wir knien uns hin, wenn wir mit Bedacht und Mühe einer Tätigkeit nachgehen, die wir nicht im Vorbeigehen, nicht in einem schnellen Moment, erledigen, dann abhaken und wieder vergessen können.
Und wir knien nieder, wir verbeugen uns, in Momenten großer Tragweite, in Momenten der Andacht, und Vergebung erbittend.
Sich dieser Symboliken zu vergegenwärtigen, scheint dem Mahnmal des Stolpersteins angemessen.

Das Bündnis „Essen stellt sich quer“, für das ich heute sprechen darf, und seine Partner, zu denen die VVN ebenso gehört wie viele, viele weitere gesellschaftliche Akteure, sehen den 9. November als Verpflichtung. In einem Jahr wie 2021, in dem Millionen Mitbürger der AfD, dem „3. Weg“ und anderen Feinden der Weltoffenheit ihre Stimmen schenkten, erscheint das Ende von Weimar, und das was danach folgte, nicht mehr wie ein entferntes Kapitel der Geschichte.

Unsere Arbeit, unser Engagement, ist der Zukunft zugewandt.
Dazu gehört auch eine lebendige Erinnerungskultur.
Der Journalistin Leonie Schöler antwortete die Überlebende des Holocausts Margot Friedländer kürzlich auf die Frage hin, was man Menschen entgegnen solle, die mit diesem Kapitel abschließen wollen, und das immer wieder erinnert werden nicht für anständig halten, folgendes:
„Was gewesen ist können wir nicht ändern. Aber es darf euch nie wieder passieren“, womit sie meint, dass heutigen und kommenden Generationen das Grauen der Verfolgung erspart bleiben muss.
Für uns bedeutet dies zu gedenken, zu informieren, Stirn zu zeigen, wenn es notwendig wird, und Partei zu ergreifen für heute marginalisierte und bedrohte Menschen.

Diese Arbeit benötigt vor allem helfende Hände und Köpfe.
Lenken Sie „kein Vergeben, kein Vergessen“ in eine konstruktive Bahn.
Sagen Sie den Menschen in Ihrem Umfeld, in Vereinen, Firmen und Familien auch nach dem 9. November „Nie wieder!“, und erklären Sie ihnen, weshalb dies so wichtig ist. Erzählen Sie Ihnen von den Stolpersteinen, von der „Stadtwunde“ im Herzen Essens, von den Pogromen, und wie eins zum anderen führte.

Ehren Sie die Opfer des Nationalsozialismus, die Ermordeten, Gequälten, Verfolgten, und Entrechteten und ihre Nachkommen, wie Sie können, und es Ihre Zeit und Kräfte hergeben, mit ihrem Engagement. Helfen Sie mit, Fremdenfeinde und Rassisten nicht gewähren zu lassen. Dafür ist der heutige Tag ein guter Anlass, und ich danke Ihnen und euch für eure Engagement. Vielen Dank.

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