Weitere Radikalisierung der „Steeler Jungs“

Weitere Radikalisierung der „Steeler Jungs“

Gang in den Untergrund

Die „Steeler Jungs“ radikalisieren sich immer weiter. Teile von ihnen proben derzeit die Taktik autonomer Nationalisten, sich hip und anschlussfähig zu geben, um neues Personal zu finden und an sich zu binden. Dabei bedienen sie sich Aktionsformen der rechtsradikalen Identitären Bewegung und greifen auf Material, Hilfe und Unterstützung von organisierten Nazi-Parteien zurück.

Dass sich die ansonsten mühevoll bieder gebenden „Steeler Jungs“ nun auch klar rechtsradikal politisch betätigen, ist ein neuer Schritt. Ein Schritt der für Besorgnis sorgt, da dieser Schritt der nächste auf der Eskalationsspirale ist: Offenbar arbeiten Teile der „Steeler Jungs“ gerade daran, Untergrundstrukturen zu bilden.

Doch der Reihe nach.

„Junge Patrioten Essen“

Eine neue Gruppe, die sich selbst „Junge Patrioten Essen“ nennt, ist für uns am 13.01. das erste Mal in Erscheinung getreten, als sie unser Schild vor unserem Büro mit Nazi-Aufklebern beklebt haben. Der Vorfall geschah gerade einmal sechs Wochen nachdem unser ehemaliger Sprecher an gleicher Stelle niedergeschlagen wurde.

Nach unseren Recherchen distanzierte sich die Gruppe halbherzig in den Sozialen Medien von anderen Gruppen und betont speziell, nicht in Verbindung zu den „Steeler Jungs“ zu stehen.

Am 16.01. lädt die Gruppe auf Twitter ein Foto eines selbst angefertigten Banners hoch.

Die Aufschrift liest sich „Love Football, hate Antifa“, geschrieben in Großbuchstaben. Neben einem antik gehaltenen Fußball, ist das Logo des Vereins Rot-Weiss-Essen, kurz RWE, zu sehen.

Bereits am 12.01. postete die Gruppe ein Foto ihrer Vorbereitung.

Zu sehen ist ein Mann in einer Privatwohnung auf einem dunklen Sofa, das mit einer grauen Decke überzogenen und mit einem grauen, grob gestrickten Kissen dekoriert ist. Ebenfalls zu sehen ist ein Pitbull. Auffällig ist, dass sowohl das Gesicht, als auch die im Hintergrund befindlichen Plakate verfremdet wurden, um Rückschlüsse auf die Person zu unterbinden. Der Schriftzug des Pullovers der Person hingegen muss ganz bewusst unverpixelt verblieben sein. Ihn ziert der Schriftzug „Oldschool Criminal“, einer bei Rechtsradikalen und Nazis beliebten Marke.

Am 19.01. veröffentlicht die Gruppe dann auf Youtube ein Video ihres Banner-Drops. Im Video sind zwei Personen prominent zu sehen. Eine dritte ist offenbar ebenfalls anwesend. Die beiden im Fokus befindlichen Personen tragen Kapuzenpullover, um nicht erkannt zu werden.

Die eine Person trägt den „Oldschool Criminal“ Pullover; die Couch auf der Rechten Seite des Bildes ist dieselbe, wie auf dem Twitter-Foto.

Weiter im Video ist zu erkennen, dass zwei Personen durch ein Treppenhaus laufen, um das Banner vom Vordach eines Technikmarktes zu hängen. Bei den Personen handelt es sich um eine männliche und eine weibliche. Die männliche Person trägt eine Brustkamera und zusätzlich ein Stativ mit einem Handy, mit dem aus einer zweiten Perspektive gefilmt wird.

Ein Tattoo auf der rechten Hand der männlichen Person sticht ins Auge, als sie die Tür zum Vordach öffnet.

Zu sehen ist ein Steuerrad und ein gebogener Schriftzug auf der rechten Hand.

Social Media

Betrachtet man den Twitter-Account der Gruppe genauer, fallen zwei Profile auf, @terrorqueen1907 und @Clagie3:

@terrorqueen1907 hat ihren Account seit Januar 2020, also enorm kurz. Sie nennt sich bei Twitter „Terrorqueen88“. Welche Bedeutung die „88“ hat, kann nicht genau gesagt werden. 88 könnte sowohl ein rechtsradikaler Code für „Heil Hitler“, als auch einfach ihr Geburtsjahr sein. Die Jahreszahl 1907 rekurriert auf das Gründungsjahr von Rot-Weiss-Essen. @terrorqueen1907 hat genau einen Follower, der – oh Wunder – @Clagie3 ist.

@Clagie3 hat seinen Account ebenfalls erst seit dem Januar 2020. Er folgt insgesamt drei Profilen. Neben dem Account der „Jungen Patrioten Essen“ folgt er @terrorqueen1907 zurück.

Auch auf Instagram sind die „Jungen Patrioten Essen“ mit einem eigenen Profil vertreten. Mit gerade einmal 14 Abonnenten ein reichweitearmer Account.

Bei genauerem Hinsehen fallen auch hier mindestens zwei Accounts auf: gabberqueen.0 und clagie1408. Beide können den vorig genannten Twitter-Accounts eindeutig zugeordnet werden.

Claus G.

Hinter den Profilen @clagie03, clagie1408, sowie dem noch nicht in diesem Artikel erwähnten clausgie, verbirgt sich Claus G. (Name der Redaktion bekannt). Der Maler und Lackierer G. kommt ursprünglich aus Potsdam, wohnte zwischenzeitlich in Dorsten und inzwischen in Essen-Freisenbruch. Auf einem seiner Profile wirbt er für die Firma, die Nahrungsergänzungsmittel vertreibt und trainiert im McFit.

Er ist Mitglied bei den „Steeler Jungs“, wie eindeutige Bilder belegen:

Er war auch bereits Versammlungsteilnehmer bei den “Eltern gegen Gewalt”, einer Vorfeldorganisation rechter Mischszenen in Essen:

Aktivist in den Videos

G. trägt auf einigen Fotos denselben Hoodie der Marke „Oldschool Criminal“, wie die Person im Video.

Ein weiteres Indiz ist eine Jacke der Marke Ellesse, die sowohl G., als auch die Person im Video trägt:

Eindeutig identifizierbar ist er über seine Tätowierungen auf den Händen, die sich mit der aus dem Video decken:

Neben dem bereits erkennbaren Steuerrad steht in gebogener Schrift „guide me“ auf der rechten Hand von G..

Auch anhand der prägnanten Nasen-Partie ist G. eindeutig im Video zu erkennen:

G. war auch beim Sticker-Kleben dabei

Unsere forensische Analyse des Bildmaterials zeigt, dass G. auch eine der beiden Personen war, die die Sticker an unserem Büro angebracht haben. G. trug in beiden Videos die gleichen markanten Sneaker mit weißer Sohle und schwarzer Applikation, sowie grauem Obermaterial:

Auch in diesem Video ist er an er markanten Nasen-Partie zu erkennen.

Marielle

Die zweite Person, die sich hinter den Profilen gabberqueen.0 und weiteren verbirgt, heißt mit Vornamen Marielle.

Die Elektrikerin aus Oberhausen bezeichnet sich selbst als „Altenessener Mädel“ und steht den Strukturen der „Steeler Jungs“ in Altenessen nahe.

Marielle bezieht sich positiv auf die Wehrmacht im zweiten Weltkrieg, wünscht „Ruhm und Ehre“. Sie teilt auf einem ihrer Profile offensiv die Parole „Schwarz-Weiß-Rot bis in den Tod“. Eine Parole, die schon antidemokratische und rechtsradikale Parteien und Politgruppierungen nutzen, um ihre gegenrevolutionäre politische Überzeugung nach außen zu signalisieren.

Die ersten paar Accounts, der sie auf Twitter folgt, sind ebenfalls klar rechtsradikal. Generell fällt bei näherer Betrachtung auf, dass sie offenbar in enger Beziehung zur neonazistischen Partei “Die Rechte” und der NPD steht.

Aufschlussreich sind auch die Fotos, die Marielle von ihrer Wohnung veröffentlicht hat:

Klar erkennbar sind auf den Fotos dieselben Einrichtungsgegenstände, wie im Video der Transparent-Mal-Aktion: Eindeutig stimmen die mit der grauen Decke überzogene Couch, das Sideboard und die Poster mit denen aus dem Video überein. Offenbar wurde das Video gemeinsam mit Claus G. in Marielles Privatwohnung gedreht.

Auch der bei der Aktionsankündigung zu sehende Pitbull taucht mehrfach im Profil auf:

Marielle trägt in beiden Videos, dem des Banner-Drops, sowie des Angriffs auf unser Büro, dieselben Schuhe:

Angriff kam von „Steeler Jungs“

Allen Beteuerungen dieser neu in Erscheinung getretenen rechtsradikalen Gruppe zum Trotz: Der Angriff auf unser Büro, sowie das an Aktionsformen der Identitären Bewegung erinnernde Banner-Dropping, gingen von „Steeler Jungs“ aus.

Ganz offenbar radikalisieren sich „Steeler Jungs“ immer weiter. Sie führen den Weg, den sie bereits mit dem offen propagierten Schulterschluss zur klassisch rechtsradikalen Szene am 01.08.2019 in Steele, bei dem SS Siggi und Konsorten mitmarschiert sind, fort. Sie sind derzeit scheinbar dabei Untergrundstrukturen gegen den politischen Gegner auszubilden und ihre politischen Ziele auch militanter zu verfolgen.

Wieder einmal ist ein Punkt auf der Gewaltspirale erreicht, ab dem niemand mehr behaupten kann, die „Steeler Jungs“ seien „harmlos“, oder gingen aufgrund eines sozialen Schiefstands auf die Straße. Abermals wird offensichtlich, dass es sich bei den sich so mühevoll bieder gebenden „Steeler Jungs“ um eine Vorfeldorganisation des organisierten und mitunter militanten Rechtsradikalismus auf Essens Straßen handelt. Es wird Zeit, dass endlich auch die letzten Zweifler*innen erkennen, dass man mit solchen Leuten nicht spaßt!

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