Bündnisrede gegen die rechtsradikal unterwanderte Versammlung von „Freiheit 21“
Wir dokumentieren im Folgenden unseren Bündnisredebeitrag gegen die rechtsradikal unterwanderte Versammlung von „Freiheit 21“ am 05.07.2020 im Wortlaut.
Liebe Freundinnen und Freunde,
herzlichen Dank, dass ihr heute alle hier seid! Ich freue mich besonders über unsere Freund*innen aus den umliegenden Städten, die uns heute hier unterstützen!
Viele von euch standen vor zwei Wochen schon gemeinsam auf dem Hans-Toussaint-Platz vereint gegen die AfD, die sich in völlig ungenierter Art und Weise versucht hat, der Polizei anzubiedern.
„Wir lassen uns nicht vor den Karren der AfD spannen“, kommentierte ein Polizeisprecher den relativ kläglichen Haufen Rechter und Rechtsradikaler, die sich zu maximal 40st auf dem Hirschlandplatz versammelt hatten. Auch juristisch wird die Versammlung der Partei noch ein Nachspiel haben, weil die Partei das Hoheitsabzeichen der Polizei für ihren durchschaubaren Werbeblock genutzt hat. Das Hoheitsabzeichen der Polizei darf nicht missbraucht werden. Nun werden also Anwältinnen und Anwälte prüfen, ob die AfD mal wieder gegen Gesetze verstoßen hat.
Was wir vor zwei Wochen gesehen haben, sehen wir auch jetzt wieder: Das Anbiedern, Unterwandern, Entern und Kapern von gesellschaftspolitischen Schauplätzen. Die AfD hat versucht, die mediale Auseinandersetzung mit Rassismus innerhalb der Polizei auszunutzen.
Die Melange, der wir heute gegenüberstehen und deretwegen wir heute hier sind, versucht das auf eine ganz ähnliche Art und Weise: Auch die Gruppierung „Freiheit 21“, wie sie sich selber nennen, will ein Thema – nämlich mögliche Fahrverbote – kapern und eigene Akzente setzen. Dabei scheut sie sich nicht, selbst Rechte und Rechtsradikale in ihren Reihen zu dulden, die selbstverständlich alles andere als Freiheitskämpferinnen und -kämpfer sind, als die sie sich selber nur all zu gerne inszenieren, sondern stramme Rechte, die mit ihrem Kuschelkurs versuchen ihre Ideologie breiter in die Bevölkerung zu streuen und ihr Gift weiter in die Mehrheitsbevölkerung zu träufeln.
Aber der Reihe nach.
„Freiheit 21“ ist eine Initiative von Frank Schwung. Schwung ist heute Anmelder der Versammlung, gegen die wir uns wenden. Er ist Vizepräsident der „Freeway Riders“, einem Motorrad-Club, der besonders in NRW aktiv ist und der auch hier in Essen eine lange Tradition hat. Die „Freeway Riders“ sind aber kein Taubenzüchterverein, Häkel- oder Debattierclub: bei Mitgliedern wurden bei Razzien bereits Schusswaffen, Munition und Drogen sichergestellt.
Also im Zweifel alles andere als friedliebende und gesetzestreue Personen.
„Freiheit 21“ gibt es noch gar nicht einmal so lange, nämlich dem 08. Juni. Das sind nicht einmal vier Wochen. Dennoch hat der Facebook-Auftritt bereits 2.728 Likes. Likes sind die Währung der „patrirotischen Gegenöffentlichkeit“, wie sie sich bezeichnen. Übersetzt heißt das: Reichweite. Je mehr, desto besser. Die Reichweite ist allerdings nicht auf die gelieferten Beiträge von „Freiheit 21“ zurückzuführen, sondern auf den Umstand, dass die Seite “Freiheit 21” bereits früher, allerdings unter anderem Namen, existierte. Die Seite wurde ursprünglich als Unterstützungsseite für Xavier Naidoo am 11. März 2020 angelegt und trug den Titel “Solidarität mit Xavier, Meinungsfreiheit für Naidoo”.
Augenscheinlich war also bereits die Anlage der damaligen Solidaritätsseite ein geplanter Schachzug, um möglichst einfach an viel Reichweite zu kommen, die man dann später ummünzen und ausnutzen kann.
Dass die Versammlung heute, am Sonntag, stattfindet, überrascht. Denn die eigentlichen Biker-Demos waren bereits gestern. Frank Schwung und Konsorten waren erst gestern noch in Düsseldorf unter die Biker gemischt. Auch, um Werbung für heute zu machen. Denn die heutige Aktion steht außerhalb der bundesweit stattfindenden Versammlungen.
Unsere Recherchen und die vom Informationsportal Blick nach Rechts haben ergeben, dass sich zu dieser außerordentlichen Versammlung auch ein buntes Stelldichein an verschiedenen rechten und rechtsradikalen, ja bisweilen offen neonazistischen Gruppen und Personen gesellen wollten. Die Werbung für die Veranstaltung lief maßgeblich über rechte und rechtsradikale Foren, Seiten und Telegram-Kanäle.
Sowohl die rechtsradikale „Bruderschaft Deutschland“, die – wir werden nicht müde, es zu wiederholen – offenbar Kontakte ins rechtsterroristische Millieu hat, die rechte bürgerwehr-ähnliche Essener Gruppierung „Steeler Jungs“ – ob sie sich nun gerade als aus Steele, Huttrop oder Borbeck bezeichnen – und die rechtsradikale Gruppe „NRW stellt sich quer“ haben bereits im Vorfeld die Teilnahme zugesagt und die Veranstaltung massiv beworben. Hinter all dem steht als Draht- und Strippenzieher der Rechtsradikale Dominik Horst Roeseler, der auch heute dabei ist. Roeseler gilt szeneintern als Brückenbauer und vereint gekonnt Rocker, Hooligans und Neonazis zu einer Szene, die wir als „rechte Mischszene“ bezeichnen.
Der rechten Szene kommen Proteste von Rockern nur allzu gelegen, denn im Kern fußen auch sie auf toxischer Männlichkeit. Toxische Männlichkeit beschreibt das Konzept einer in unserer Gesellschaft vorherrschenden Vorstellung von Männlichkeit und umfasst das Verhalten, das Selbstbild und Beziehungskonzepte von Männern sowie kollektive männliche Strukturen. Männer sollen keine Schwäche zeigen, höchstens Wut, sie sollen hart sein, aggressiv und nicht zärtlich oder liebevoll, schon gar nicht miteinander. Männlichkeit muss immer wieder bewiesen werden, z.B. durch die Einordnung in eine Hierarchie, die mit Mutproben und erniedrigenden Ritualen gefestigt wird – auf dem Schulhof genauso wie in der Bundeswehr – oder eben Rocker-Gruppierungen. Anerzogene Erzählungen wie „Männer weinen nicht“ oder „Jungs müssen stark sein“ fußen nicht selten in Misogynie, Homo- und Transfeindlichkeit und tragen dazu bei, veraltete Rollenbilder aufrechtzuerhalten und manifestieren gefährliche, gesellschaftliche Entwicklungen wie die einer männlichendominierten Rape-Culture. Uns ist – und wir stellen – klar: Diesen Macho-Kult lehnen wir entschieden ab.
Dass der Gesetzesgeber womöglich an der „Freiheit“ dieser zumeist Männer dort drüben kratzt, indem er die Gesellschaft vor zu viel Lärm schützt, erzürnt sie. Der gemeine Macho an sich ist es nicht gewohnt, in Schranken gewiesen zu werden. Wird er es, begehrt er auf, wird rasend, und schäumt testosteronsprudelnd über. Die eigene – imaginierte – „Freiheit“ steht und fällt offenbar damit, anderen den Sonntag mit einem lauten Moped zu versauen. Die PS-starken Maschinen, diese knatternden, tosenden, und röhrenden Geräte, dienen nicht wenigen innerhalb dieser Männerbünde als Expression ihrer eigenen Männlichkeit.
Wie verletzlich diese Männlichkeit ist, das, liebe Freundinnen und Freunde, sehen wir hier ganz anschaulich: Kaum, dass man sich ein wenig zum Wohle der Anderen zurücknehmen und die emittierte Lautstärke des eigenen Feuerstuhls gedrosselt werden soll, paktiert man fröhlich, feierlich mit Antidemokrat*innen, Rassist*innen, Rechtsradikalen und Nazis.
„Freiheit 21“ hat in den letzten Tagen ein Video veröffentlicht, in der Oberbürgermeister Thomas Kufen in einem Interview mit unserem Freund Ali Can wiedergegeben wird. Herr Kufen erzählt in dem Video von möglichen Einschränkungen im Individualverkehr im Zuge des Ausbaus des ÖPNVs bis 2035. Klar: Je besser der öffentliche Verkehr, desto weniger Motorräder und Autos werden in den Innenstädten benötigt werden. „Freiheit 21“ quittiert diesen Ausschnitt dann allerdings mit einem Zitat aus dem Film „300“, der innerhalb der rechten Szene zu gewisser Berühmtheit gekommen ist. Nicht von Ungefähr kommt eben auch der Name der Stammkneipe der „Steeler Jungs“. Das Video endet mit, Zitat: „Nun, alter Freund, ich habe mehr Soldaten hier als du“, gefolgt von Hooligan-typischen „Ahu“-Rufen, einer ziemlich offenen Androhung einer konfrontativen Auseinandersetzung.
Klingt noch zu harmlos? Ein Teilnehmer der Versammlung dort schreibt auf Facebook zu dem Video in Bezug auf Kufen: „Hat diesem … schon mal jemand erzählt, dass Auto- und Motorradfahrer auch Wähler sind? Vielleicht erlebt er ja 2035 nicht mehr“
Ja, richtig gehört, „Vielleicht erlebt er ja 2035“ nicht mehr.
Liebe Freundinnen und Freunde, das ist eine verklausulierte Drohung, die uns alarmiert und die wir nicht sang- und klanglos hinnehmen werden!
Vielen Dank, dass ihr da seid! Vielen Dank, dass ihr euch denen in den Weg stellt!