Holocaustgedenken, ein Fritz Bauer-Zitat und die Stadtwunde

Holocaustgedenken, ein Fritz Bauer-Zitat und die Stadtwunde

Gedenkstätte „Stadtwunde“ © SJD Die Falken Essen, Original http://www.schlauer-statt-rechts-essen.de/wp-content/uploads/2013/05/Stadtwunde1.jpg

Am heutigen 27. Januar begehen wir den internationalen Gedenktag der Opfer des Holocaust.

Das Leibnitz-Institut für Bildungsinformation definiert diesen Gedenktag wie folgt:
Der Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus ist in der Bundesrepublik Deutschland ein nationaler Gedenktag. Er erinnert an alle Opfer eines beispiellosen totalitären Regimes während der Zeit des Nationalsozialismus: Juden, Christen, Sinti und Roma, Menschen mit Behinderung, Homosexuelle, Männer und Frauen des Widerstandes, Wissenschaftler, Künstler, Journalisten, Kriegsgefangene, Deserteure und an die Millionen Menschen, die unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft entrechtet, verfolgt, gequält und ermordet wurden.

„Nichts gehört der Vergangenheit an, alles ist noch Gegenwart und kann wieder Zukunft werden.“ – Fritz Bauer

Vor zwanzig Jahren wurde in Essen an zentraler Stelle ein Mahnmal eingeweiht, das viele Mitbürgerinnen und Mitbürger kaum kennen und kaum wahrnehmen:
Eine einfache, schlichte Treppe, sieben Buchenholzstämme, eine Gedenktafel – und seit geraumer Zeit leider ergänzt um einen Metallzaun, um vor Verschmutzungen und -schandelungen zu schützen.

Die „Stadtwunde“ [Installation: Werner Ruhnau & Astrid Bartels], gelegen unter dem Zugang zur Rathaus-Galerie, zwischen dem Verwaltungssitz des Bistums Essen und einem Parkhaus, erinnert an die ca. 150 Zwangsarbeiter, die gezwungen wurden, zwischen ´43 und ´45 unter unmenschlichen Zuständen und teils unter Lebensgefahr Aufräumarbeiten in der von Bombardements zunehmend zerstörten Essener Innenstadt durchzuführen. An der „Schwarzen Poth“, einer Straße, die im Zuge der Aufbauarbeiten und Neugestaltung der Innenstadt aufging, wurden ein KZ-Außenlager installiert, das in den unwürdigen Versorgungs- und Unterbringungsbedingungen den größeren KZs in Nichts nachstand; wie viele der zur Zwangsarbeit gezwungenen Häftlinge unter diesen Umständen und den Gefahren einstürzender Bauten starben, ist nicht bekannt.

Im vergangenen Jahr wiesen BürgerInnen und AktivistenInnen darauf hin, dass der Zustand der „Stadtwunde“ diesem Gedenken nicht gerecht werde, und ich bin froh, dass sowohl die Stadtverwaltung schnell auf den hierauf aus dem Rat hervorgehenden Auftrag reagierte, und ad hoc zumindest den Zugang wieder gewährleisten konnte, als auch, dass der Rat zügig einen Beschluss fasste, demzufolge die Essener Gedenkstätten und -tafeln größere Aufmerksamkeit und mehr aktive Pflege erfahren sollen und werden.

Heute, am Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus, wenn sich die Befreiung des KZ-Auschwitz im Jahr 1945 jährt, möchte ich aber weder der Stadt auf die Schulter klopfen, noch lehrmeisterlich über Geschichte referieren oder zitieren.
Ich möchte gedenken. Und ich möchte Sie und euch ermuntern, ja, auffordern, es mir gleich zu tun.

Dass 1945 lange her ist, bleibt unstrittig, dass es niemals mehr zu einem neuen ´33 kommen darf, ist unser Auftrag und unsere Verpflichtung; das hat nichts mit Pathos zu tun.
Geben wir unseren Kindern, manchenteils ermüdet durch zu abstrakte, zu staubige, zu omnipräsente Behandlung der NS-Zeit in der Schule, ein Gefühl der Empathie weiter. Schreiten wir laut und stark ein, wenn Neu- und Extrem-Rechte Geschichtsklitterung betreiben, oder – etwa unter dem fadenscheinigen Vorwand der Einschränkungen im Zuge der Corona-Pandemie und ihrer Schutzmaßnahmen- versuchen, Opferrollen zu verschieben.
Geben wir ein Verständnis für die Nöte Flüchtender weiter, vermitteln wir Mitgefühl mit Fremden,  und die Akzeptanz Anderer. Lehren wir Gedenken und Würdigung. Fangen wir damit in Essen an.

Johannes für Essen stellt sich quer

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