Verbreiten die Essener „Corona Rebellen“ rechtes Gedankengut? Ja, tun sie.
Die „Corona Rebellen“ mobilisieren seit einigen Wochen und inzwischen sogar bundesweit zu sogenannten „Hygienedemos“. Ihr vorgebliches politisches Ziel: Beendigung der gemäß der Coronaschutzverordnugen getroffenen Maßnahmen. Entstanden ist ein bunter Mix aus Esoteriker*innen, Verschwörungstheoretiker*innen, Querfrontler*innen, auch Reichsbürger*innen und Rechtsradikalen, die nicht nur gegen mitunter tatsächlich kritisierbare Punkte der Verordnungen auf die Straße gehen.
Die Truppe phantasiert von einem Impfzwang, Mikrochipimplantierung, einer von Bill Gates gesteuerten, weil gekauften, „Politikkaste“, dass Deutschland keine Verfassung habe und unter Besatzung stünde, die lediglich durch die Rückkehr eines Kaisers oder Übernahme alliierter Truppen unter der Leitung von Donald Trump aufgelöst werden könne. Der neuartige Coronavirus SARS-CoV-2 sei eine Lüge, ein frei erfundener Vorwand, um das „deutsche Volk“ in eine Diktatur zu führen und zu unterjochen. Die Bundesregierung wird – teils unter frenetischem Applaus – als „faschistische Militärjunta“ bezeichnet. All das offenbart, dass hinter der angeblichen „Bürgerrechtsbewegung“, als die sich die „Corona Rebellen“ selber gerne sähen, Akteur*innen mit klar antidemokratischen und antiaufklärerischen Zielen stecken.
Das Bedienen und Befeuern teils abstrusester Verschwörungstheorien radikalisiert eine Masse von Menschen, die besorgniserregend ist. Fließend sind die Grenzen zwischen Impfgegner*innen und Antidemokrat*innen. Wir haben auf den kruden Mix der Szene bereits zu Beginn hingewiesen und vor einer Teilnahme gewarnt. Dazu haben wir sowohl für die NRW weit organisierte Gruppe, als auch den Essener Ableger dargelegt, dass es den sich dort sammelnden Menschen nicht um einen Kampf für Freiheitsrechte geht.
Nach einigen Wochen der Festigung des Gruppenzusammenhalts driftet auch die Essener Gruppe immer tiefer in sektiererisches und verschwörungstheoretisches Terrain ab. Zeit also, noch einmal dediziert darzulegen, was alles an den „Corona Rebellen“ und dem Essener Setzling problematisch und schlicht ablehnenswert ist.
Illegale Versammlungen
„Nicht ohne uns – Essen“, die lokale Gruppe der „Corona Rebellen“, hat bereits einige Versammlungen durchgeführt. Keine der Versammlungen war angemeldet. Während der Coronaschutzverordnung müssen Versammlungen genehmigt werden. Die Gruppe hat absichtlich keine Anmeldung vorgenommen und damit wissentlich gegen die Regelungen verstoßen. Da nichts angemeldet wurde und dadurch nichts genehmigt wurde, hat die Gruppe illegale Versammlungen durchgeführt.
Zwist bei den Schwurblern: Für morgen, #e0905, hat die Essener Gruppe von #Widerstand2020 eine Versammlung mit Ende auf dem #Hirschlandplatz angemeldet. #NichtOhneUns Essen mobilisiert zu einer nicht angemeldeten Versammlung an der #Gruga. Die Anmeldung gefällt ihnen gar nicht.
— ESSQ (@EssenQuer) May 8, 2020
Zudem ist die Gruppe während ihrer Aktion durch die Innenstadt marschiert und hat dabei wissentlich und willentlich die Abstandsregelungen missachtet. Damit setzen sie nicht nur sich einem Risiko aus, sondern auch alle unbeteiligten Passant*innen. Es bleibt zu hoffen, dass die Leidtragenden der „Rebellen“-Aktion nicht abermals die ohnehin schon bis an die Schmerzgrenze und darüber hinaus belasteten Kräfte in der Pflege sein werden.
Ohne Maske und mit gefaketem Attest
In der Gruppe wird aktiv dazu aufgerufen, sich beim Einkaufen über die Maskenpflicht hinwegzusetzen. Begründet wird dies damit, dass die Maske eine Metapher für einen „Maulkorb“ wäre. Für die „Rebellen“ ein Zeichen der ultimativen Unterwerfung unter die „Herrschenden“. Es kursiert ein Attest zum Selbstausdrucken, mit dem einige der Teilnehmenden vorspielen, aus „medizinischen Gründen“ keine Maske tragen zu können. Auch dadurch gefährden sie bewusst andere Menschen und missachten deren Recht auf körperliche Unversehrtheit.
Dämonisierung, Personifizierung
Die „Rebellen“ haben Microsoft-Gründer Bill Gates und die von ihm und seiner Frau initiierte Stiftung als Hauptfeind ausgemacht. Klammheimlich stecke er hinter Corona, habe den Virus selber in die Welt gesetzt, um alle Menschen des Planeten impfen zu können und dabei noch reicher zu werden.
Antidemokratie
Immer wieder wird in der Gruppe der Ruf nach einem Kaiser von Deutschland laut. Eine Erzählung, die uns insbesondere im Milieu der Reichsbürgerbewegung immer wieder begegnet und klar antidemokratisch ist: Statt eines demokratischen Staates mit Gewaltenteilung wünscht man sich die Rückkehr der Monarchie.
Verbindungen zur rechtsradikalen Szene
Gruppenmitglieder nehmen an Aktionen rechtsradikaler Akteur*innen teil. Hier ein Beispiel der Teilnahme an einem Autokorso mit rechtsradikalem Hintergrund, über das unsere Freund*innen vom Gelsenkirchener Aktionsbündnis gegen Rassismus und Ausgrenzung ausführlich berichtet haben.
Rechtsradikale mischen aber auch bei den Essener Aktionen mit.
Auch eine positive Bezugnahme auf die als „rechtsextremistisch“ eingestufte „Identitäre Bewegung“ lässt sich finden:
Rechtsradikale unter den Teilnehmenden
Auch Rechtsradikale haben unserer Recherche nach an den Versammlungen teilgenommen.
Vorerst friedlich?
Ganz unverblümt schreibt selbst einer der Administratoren der Gruppe, man bliebe „vorerst“ friedlich. Offen bleibt, was die Gruppe dann plant.
Bereits angedacht wurde, kampfsporterfahrene Teilnehmer*innen in die erste Reihe zu stellen:
Reichsbürger*innen und die BRD GmbH
Der Klassiker der Reichsbürgerbewegung, die Bundesrepublik sei eine Firma und die Einwohner*innen lediglich das „Personal“ (daher auch „Personal“ausweis!), taucht ebenfalls regelmäßig auf. Das ist natürlich hanebüchener Humbug, aber doch etwas, an das viele Reichsbürger*innen fest glauben.
Verhältnis zur Presse und Öffentlichkeit
Dass Verschwörungstheoretiker*innen ein ambivalentes Verhältnis zur Medienlandschaft haben, dürfte bekannt sein: Spiegeln die Medien nicht die kruden Theorien der Verschwörer*innen wieder, sind es „Lügenmedien“, die die Wahrheit verschweigen. Berichten sie aber doch über Themen, für die sich die Schwurbler*innen interessieren, ist es für sie ein Beleg dafür, dass die Wahrheit derart erdrückend sein muss, dass die „gleichgeschalteten“ Medien nicht anders können, als die News zu bringen.
Aber auch die lokalen Medien haben keinen guten Stand bei den Mitgliedern der Gruppe.
5G als eine Bedrohung für die Menschheit
Die Verschwörungstheorie, dass Corona durch 5G-Masten ausgelöst würde, hält sich hartnäckig. Dran ist nichts. Dennoch wird diese Legende auch in der Essener Gruppe genutzt.
Verbindung zu anderen verschwörungstheoretischen Gruppen
Ein ums andere Mal teilen Mitglieder der Gruppe Inhalte von „QAnon“, einer wirren, aus den USA stammenden Verschwörungsclique, die inzwischen auch weltweit beachtliche Verbreitung gefunden hat.
Entmenschlichung
Eine der Hauptgefahren, die aus dem Mix aus Verschwörungstheorien entspringt, ist die Enthemmung, die letztlich auch in Gewalt münden kann. Die Entmenschlichung des politischen Gegners ist ein deutliches Zeichen für eine sich zuspitzende Radikalisierung. In dem folgenden Screenshot werden Bundespolitiker*innen mit Tieren, hier mit Ratten* gleichgesetzt.
* Tatsächlich sind es eigentlich Mäuse.
Weitere Planungen
Die Gruppe plant weitere Versammlungen in Essen. Derzeit wird intern gerätselt, ob das Anmelden einer Versammlung inzwischen ein richtiges Mittel wäre. Man sieht jedoch die Gefahr, nur eine Standkundgebung durchführen zu dürfen. Allerdings wird bereits gesagt, man wolle die offizielle Anmeldung gegebenenfalls nur als Feigenblatt nutzen, um dann spontan an anderer Stelle zu demonstrieren.
Kurz vor unserem ESSQ-Redaktionsschluss am Mittwoch stellte sich heraus, dass drei der Köpfe der Gruppe „Nicht ohne uns – Essen“ am 13.05. ein Kooperationsgespräch mit der Versammlungsbehörde hatten. Sie wähnen die Polizei aufgrund des positiven Gesprächsverlaufs auf ihrer Seite. Scheinbar hat man sich auf eine Versammlung am kommenden Samstag, den 16.05., unter Auflagen einigen können.
Dass die drei Protagonist*innen keine Woche nach einer illegal durchgeführten Versammlung, durch die ein Großaufgebot der Polizei auf den Plan gerufen werden musste, nun einfach als Versammlungsleitung auftreten können, überrascht. Insbesondere vor dem in diesem Artikel dargelegten Hintergrund der Gruppierung und ihren teils antidemokratischen Einstellungen.