Bandidos in NRW verboten – Fehler bei Durchführung

Bandidos in NRW verboten – Fehler bei Durchführung

Am 12. Juli hat der Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) die „Bandidos MC Federation West Central“ einschließlich ihrer Teilorganisationen verboten. Einen Verein, der zwar offiziell bereits aufgelöst gewesen sein soll, jedoch faktisch weiterbestand. Dem Schlag gegen die Rocker-Szene waren Razzien am 01. Juli, bei denen neben Drogen und Bargeld auch Waffen und Munition sichergestellt wurden, vorausgegangen. Bei der Durchsuchung von insgesamt 104 Objekten wurde offenbar genug gerichtsfestes Beweismaterial zu Tage gefördert, das ein offizielles Vereinsverbot rechtfertigt.

In Essen wurden laut eines Medienberichts zwei Objekte, in der Wüstenhöferstraße in Bochold und in der Westfalenstraße in Essen-Steele durchsucht. Vor Ort wurde unter anderem nach Vermögenswerten gesucht [1], die im Zuge der Verbotsverfügung beschlagnahmt und eingezogen werden. Die sogenannte „Sportsbar 300“ in der Westfalenstraße fällt dabei besonders ins Auge, da hier eine Verbindung zu den extrem rechten „Steeler Jungs“ hervorsticht. Mit dem Schlag gegen die organisierte Rocker-Kriminalität gelingt auch ein Schlag gegen die Extreme Rechte.

Allerdings wurde ein Vereinsheim der Bandidos schlichtweg übersehen.

„Sportsbar 300“ – rechter Szenetreff

Aufnahme am 20.04.2021 vor der „Sportsbar 300“.

Die „Sportsbar 300“ ist spätestens seit Aufkommen der „Steeler Jungs“ im März 2018 ein fester Szene-Treff für die rechtsradikale Szene in Essen. Sie dient als wichtiger Ort zur Pflege von Bekannt- und Freundschaften und ist zentrales Element für die Aktionsform der als „Spaziergänge“ bezeichneten Bürgerwehr-Patrouille, mit der die „Steeler Jungs“ in Erscheinung treten. Jeder dieser „Spaziergänge“ endete in gemeinsamer Bierlaune im „300“. Hierdurch wurde die Attraktivität zur Teilnahme nach außen für Anreisende gesteigert und gleichzeitig die Bindung nach innen erhöht, da der Abschluss die Szene zusammenschweißen konnte.

Die „Sportsbar 300“ war bereits Veranstaltungsort eines rechtsradikalen Konzertes und war Ausgangspunkt für einen Angriff auf Jugendliche [2]. Von dem Ort ging seit Jahren eine reale Gefahr für Personen aus, die nicht in das extrem rechte Weltbild der Gäste passten.

Der Partner der Inhaberin des Lokals [3], der ehemalige MMA-Käfig-Kämpfer, Christian „Bifi“ Willing, ist kein Unbekannter. Willing nimmt eine Schlüsselfigur innerhalb der extrem rechten Szene in Essen ein und steht wie kein Zweiter für die Vermischung von extrem rechter Bürgerwehr, Kampfsport-, Rocker- und Hooligan-Milieu. Bereits 2013 war er an der Verhinderung der Filmaufführung „Blut muss fließen“, beteiligt.

Szenen-Vernetzer

Christian „Bifi“ Willing auf Facebook: „scheiß auf 9mm, das tut mehr weh…“

Mittels eines Umzugsunternehmens, dessen Betreiberin Frau Stephanie Willing ist [4], versucht Willing ein möglichst gewöhnliches, bürgerliches Standbein im Stadtteil zu etablieren und das eigene Szenegängertum zu verschleiern. Wie zufällig liegt das Büro des Unternehmens aber in direkter Nachbarschaft zur rechten Szenekneipe in der Paßstraße 34. Dennoch wurde mit Hilfe des Unternehmens in der Vergangenheit versucht, in den Stadtteil zu wirken. Beispielsweise als Finanzsponsor für einen Jugendfußballclub, in den sich Willing auch als Trainer eingebracht hatte.

Beim Freisenbrucher Karneval organisierte Willing einen Mottowagen der „Steeler Jungs“, um so Bürgernähe auszustrahlen. Die Teilnahme der extrem rechten Kameraden gelang nur durch eine arglistige Täuschung der Veranstaltenden und führte zu bundesweiter Berichterstattung, da die „Steeler Jungs“ als „Steeler Jecken“ getarnt und mit spielerischen Anlehnungen an den Nationalsozialismus in Erscheinung traten.

Trotz der bürgerlichen Fassade ist Willing als Chef des ehemaligen Chapters Bottrop der Bandidos bekannt, deren Vorsitzender er war. Nach Auflösung des Bottroper Chapters entstanden zwei weitere Chapter, die nunmehr verbotenen „Bandidos Essen North“ und „Bandidos Essen East“. Bei letzterem war Willing ebenfalls sogenannter „President“ und damit bestens innerhalb der kriminellen Rocker-Szene verwurzelt und verbandelt.

Bandidos Essen East, „Guerreros“ und „Steeler Jungs“: Die Extreme Rechte

In Essen existiert ein ganzes Geflecht aus zusammenhängenden und sich personell überschneidenden Organisationen, in denen sich die Extreme Rechte trifft.  Der Grund dafür liegt auf der Hand: Klassische extrem rechte Organisationen haben allenfalls auf eingefleischte Nazis eine Anziehungswirkung. In der Diversifizierung der Aktionsfelder erhofft sich die Szene anschlussfähiger als früher zu werden.

So decken die Essener Bandidos die gewalttätige Rocker- und Biker-Szene ab, während die „Steeler Jungs“ die bürgerwehrorientierten Personengruppen anzieht, die sich weniger nach außen durch Motorräder, denn durch breite Schultern, Raumnahme innerhalb der Stadt und Patrouillen darstellen wollen. Daneben existieren zwei Kampfsportclubs, die sich auf die Martial Arts Szene konzentriert und hier als Einstiegspunkt dienen soll: Die „Guerreros“ trainieren in Essen und Oberhausen, die „Fighting Forces“ in Oberhausen. In beiden Clubs trainieren aber eben auch Bandidos und „Steeler Jungs“.

Was ist mit einem Vereinsheim in Essen?

Das Verbot und die damit einhergehenden Durchsuchungen wie auch Schließungen von Vereinsheimen der Bandidos [5] sind sehr zu begrüßen. Allerdings wurden nur zwei Trefforte der Bandidos in Essen durchsucht. Es gibt jedoch in Essen eine Örtlichkeit, in der sich die Bandido-Strukturen treffen und die den uns zur Verfügung stehenden Informationen nach nicht Gegenstand von polizeilichen Untersuchungen war.

In der Alleestraße 22 in Freisenbruch befindet sich seit 2005 das Vereinsheim des Motorradklubs „Highway Rider’s MC Essen“, das seit geraumer Zeit als Treffpunkt für Bandido-Strukturen dient. Von hier aus finden beispielsweise gemeinsame Ausfahrten statt.

Dass die Örtlichkeit im Zuge des Verbotsverfahrens weder am 01. noch am 12. Juli ins Auge gefasst wurde, muss vor dem Hintergrund der Aktivitäten der Bandidos als grobes Missgeschick, wenn nicht als fahrlässiger Fehler betrachtet werden. Durch diese für alle Beteiligten peinliche Panne könnten die Bandidos kompromittierendes Beweismaterial in der Alleestraße verschwinden haben lassen. Die Ermittlungsbehörden täten gut daran, dieses Vereinsheim schleunigst in ihre Untersuchungen mit aufzunehmen.

Weitere Fragen

In Absatz 3 der Verbotsverfügung des Bundesinnenministeriums gegen die Bandidos heißt es

„Kennzeichen des Vereins „BMC Federation West Central“ einschließlich seiner in Nummer 1 genannten Teilorganisationen dürfen weder verbreitet noch veröffentlicht oder in einer Versammlung verwendet werden.“.

Es stellt sich die Frage, weswegen weiterhin in Internetauftritten der Bandidos die verbotenen Kennzeichen dargestellt werden. In einer konzertierten Aktion hätten solche Abbildungen gleich entfernt werden müssen.

Darüber hinaus bleiben die diversen Supporter-Clubs der Bandidos von der Verbotsverfügung gänzlich unberührt. In Essen gibt es neben dem „Escuderos MC Essen-East“ die „Crew45“. Beide Clubs rühmen sich auf ihren Facebook-Präsenzen offensiv als „Bandidos Essen East“ – respektive als „Bandidos Essen“ – Unterstützer.

Auch hier zeigt sich, dass es personelle Überschneidungen mit „Steeler Jungs“/„Huttroper Jungs“ und einen klaren Hang zur Gewaltaffinität gibt.


[1]: In einer früheren Version des Artikels konnte der Eindruck entstehen, auch in der „Sportsbar 300“ seien Schlösser getauscht worden. Dies ist unzutreffend und wurde korrigiert.

[2] In einer früheren Version des Artikels hieß es ,in der “Sportsbar 300” sei Hitlers Geburtstag gefeiert worden. Diese Behauptung ist nicht zutreffend.

[3]: In einer früheren Version des Artikels war angegeben, dass Christian Willing Betreiber der „Sportsbar 300“ sei. Korrekt ist, dass Frau Stephanie Willing das Lokal betreibt.

[4] In einer früheren Version des Artikels wurde der Eindruck vermittelt, dass Christian Willing selbst Inhaber des Umzugsunternehmens sei. Korrekt ist, dass Frau Stephanie Willing die Inhaberin ist.

[5] In einer früheren Version des Artikels konnte der Eindruck entstehen, auch die “Sportsbar 300” sei geschlossen worden. Das ist nicht zutreffend, die “Sportsbar 300” ist weiterhin geöffnet und war nicht von behördlichen Schließungen betroffen.

Kommentare sind geschlossen.